BSB + Partner

«Es ist wichtig, dass wir ein gemeinsames Verständnis für Nachhaltigkeit schaffen»


Interviews 15.05.2025

Von Andreas Klossner mit Marc Hostettler, Cedric Flury und Olivier Wetterwald

Marc Hostettler, Cedric Flury und Olivier Wetterwald haben sich im Bereich der Nachhaltigkeit weitergebildet. Andreas Klossner sprach mit ihnen, um mehr über die Weiterbildungen und ihre Sicht auf die Nachhaltigkeit zu erfahren.

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Was hat dich dazu bewegt, die Weiterbildung CAS Nachhaltige Infrastrukturen zu absolvieren?

Marc Hostettler: Einerseits haben wir uns bei BSB + Partner im Rahmen der Geschäftsleitungssitzungen in den letzten Jahren immer wieder Gedanken zur Nachhaltigkeit gemacht und wie wir BSB+ hier weiterentwickeln können. Das Weiterbildungsangebot für Bauingenieure (insbesondere im Tiefbau) war aber dünn. Mit dem CAS Nachhaltige Infrastrukturen bestand nun ein Angebot, welches einen Mehrwert versprach.
Andererseits interessiert mich das Thema auch persönlich und ich habe in den Diskussionen vor allem mit unseren jüngeren Mitarbeitenden festgestellt, dass die Nachhaltigkeit einen immer höheren Stellenwert geniesst und auch konkret angegangen werden soll.
Ich bin davon überzeugt, dass wir viele Punkte in Sachen Nachhaltigkeit in unseren Projekten bereits in der Vergangenheit richtig gemacht haben. Ohne gross darüber zu diskutieren, einfach durch unsere seriöse Arbeit und den gesunden Menschenverstand!
Mit dem erlangten Wissen möchte ich mithelfen, das Bewusstsein in unserem Unternehmen und in den Projekten hinsichtlich Nachhaltigkeit zu stärken.


«Wir haben uns […] in den letzten Jahren immer wieder Gedanken zur Nachhaltigkeit gemacht.»
Marc Hostettler
Dipl. Bauingenieur FH, EMBA General Management BFH, CAS Stadtraum Strasse
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Welche Inhalte der Weiterbildung haben dich besonders inspiriert und helfen dir, Projekte nachhaltiger zu gestalten?

Cédric Flury: Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, da der Inhalt der Weiterbildung sehr umfangreich war. Die Vorlesungen behandelten die Grundlagen zur Nachhaltigkeit in den Themenbereichen Planung, Beschaffung, Ausführung sowie Betrieb und Unterhalt. Für mich besonders interessant waren dabei die Referate zum Thema Ausführung. Diese behandelten unter Anderem den Einsatz von Flüssigboden - was mir bisher kein Begriff war – und den Stoffkreislauf von Recyclingbeton, mit welchem ich zwar schon vertraut war, aber durch die Vorlesungen mein Wissen durchaus noch erweitern konnte.

Gilt Flüssigboden als besonders nachhaltig?

Cédric Flury: Flüssigboden bezeichnet nicht ein Material oder ein Produkt, sondern ist das Ergebnis eines Verfahrens. Durch dieses Verfahren können die Eigenschaften von Aushubmaterial unter Beigabe von Bentonit, Zement und Wasser so modifiziert werden, dass diese neuen Funktionen, wie zum Beispiel das Verfüllen von Leitungsgräben, übernehmen kann. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Flüssigboden eine sehr ressourcenschonende Massnahme, bei der sowohl Deponiegebühren als auch die Anlieferung neuer Baumaterialien eingespart werden können. Allerdings muss das Aushubmaterial für die Aufbereitung geeignet sein und in ein dafür vorgesehenes Werk und wieder zurück zum Einbauort transportiert werden – ohne Transporte kommen wir leider doch nicht ganz aus. Abschliessend kann aber festgehalten werden, dass Flüssigboden unter geeigneten Bedingungen eine nachhaltige Lösung darstellt.

Du bist neutraler Energieberater des Kantons Solothurn, Impulsberater für erneuerbares Heizen und GEAK Experte. Wie berätst du unsere Kunden in deinen Funktionen?

Olivier Wetterwald: Bei der neutralen Energieberatung wird die wärmetechnische Qualität der Gebäudehülle und Gebäudetechnik beurteilt. Bei der Impulsberatung liegt der Fokus beim Heizungsersatz von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Nach der Erhebung des IST-Zustands erfolgen für den GEAK-Bericht die energetischen Berechnungen im GEAK-Tool. Darin können Sanierungsvarianten für die Reduktion des gesamten Energieverbrauchs abgebildet werden. Gleichzeitig kann eine dynamische Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt werden.

Bei der Impulsberatung findet man dich eher im Keller?

Olivier Wetterwald: Ja, bei der Impulsberatung liegt der Fokus beim Heizungsersatz von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Da befinde ich mich grösstenteils im Heizungskeller.
Im Gegensatz zu den «Kurzberatungen» ist die Bearbeitung eines GEAK/GEAK+ Berichts wesentlich aufwändiger. Analog den Kurzberatungen muss zuerst die gesamte Gebäudehülle und Gebäudetechnik vor Ort beurteilt werden, um den aktuellen Energieverbrauch bzw. Ist-Zustand im GEAK-Tool zu erfassen. Die energetischen Berechnungen im GEAK-Tool basieren analog den Energie- und Minergie-Nachweisen auf der Norm SIA 380/1 (Heizwärmebedarf). Im GEAK-Tool können verschiedene Sanierungsvarianten abgebildet werden. Je nach Massnahme (z.B. Sanierung Fassade und/oder Dach, Ersatz Gasheizung auf Wärmepumpe etc.) wird die Reduktion des Energieverbrauchs für Raumwärme, Warmwasser, Lüftung und Allgemeinstrom abgebildet und parallel dazu eine dynamische Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt. Somit lassen sich die verschiedenen Sanierungsvarianten aus energetischer und wirtschaftlicher Sicht beurteilen. Hier ist ein intensiver Austausch mit dem Hauseigentümer wichtig, um seine Bedürfnisse zu berücksichtigen und die interessanten Sanierungsvarianten im GEAK+ Bericht abzubilden.

Und wann bist du im Büro anzutreffen?

Olivier Wetterwald: Die Energienachweise bzw. Minergie-Nachweise finden grösstenteils ausschliesslich im Büro statt. Beide Nachweisverfahren beruhen auf der SIA-Norm 380/1. Die SIA-Norm 380/1 berücksichtigt jedoch lediglich die energetische Effizienz der Gebäudehülle ab. Immer wichtiger wird auch die Gebäudetechnik mit effizienten Wärmeaufbereitungs- und Lüftungssystemen sowie die eigene Stromproduktion. Im Rahmen der Energie- bzw. Minergie-Nachweise wird auch die Effizienz des Heizsystems, des Lüftungssystems und der Stromproduktion mit verschiedenen Hilfsmitteln berechnet bzw. vordimensioniert, um den Gesamtenergieverbrauch zu ermitteln.


«Im Bausektor wird die gesamtheitliche Nachhaltigkeit bei grösseren Überbauungsprojekten immer wichtiger.»
Olivier Wetterwald
Dipl. Ing. ETHZ, DAS EN-Bau
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Im Tiefbau beschäftigen wir uns noch weniger mit Standards und Labels als im Hochbau. Können uns gewisse Standards weiterhelfen?

Marc Hostettler: Das CAS Nachhaltige Infrastrukturen basiert auf dem SNBS (Standard nachhaltiges Bauen Schweiz) Infrastruktur. Es besteht die Idee, dass auch bei Infrastrukturprojekten ein Label erworben werden kann. Während des CAS waren sich die Studierenden jedoch einig, dass der Erwerb eines Labels aufgrund der Kriterien des SNBS Infrastruktur nicht sinnvoll ist. Standards oder Labels bringen nur dann etwas, wenn wirklich griffige und messbare Kriterien definiert sind und somit Projekte vergleichbar werden. Die Beurteilung von Projekten nach dem SNBS Infrastruktur erachte ich jedoch als sinnvoll, da die Projekte dadurch tatsächlich nachhaltiger gestaltet werden können. Bereits die Anwendung der Kriterien des SNBS Infrastruktur als Checkliste in einem Projekt und die Auseinandersetzung mit diesen Kriterien im Projektteam wird die Projekte Schritt für Schritt nachhaltiger machen.

Wo drückt der Schuh im Tiefbau am meisten, um Projekte nachhaltiger zu planen und zu realisieren?

Marc Hostettler: Es braucht eine Vielzahl von Anstrengungen. Dies beginnt bei den Auftraggebenden, welche heute ernsthaft bereit sein müssen, Geld und Zeit in die Nachhaltigkeit von Projekten zu investieren. Der Mehrwert dieser Investition ist schwer messbar und wird sich erst in der Zukunft zeigen.
Weiter sind wir als Planende gefordert, die Projekte unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus einer Infrastruktur qualitativ hochstehend zu planen. Durchdachte Bauabläufe, der richtige Einsatz von Materialien, die richtigen technischen Spezifikationen und die Berücksichtigung der Wiederverwertbarkeit der Ressourcen sind nur einige Punkte, wo wir nachhaltiger denken müssen.
Bei Tiefbauprojekten wird oft auch nach Kompromissen zwischen den diversen Ansprüchen gesucht, so auch zum Thema Nachhaltigkeit. Hier ist es wichtig, dass wir in den Projekten zuerst ein gemeinsames Verständnis für den Begriff «Nachhaltigkeit» schaffen. Was verstehen wir darunter? So können wir im Anschluss das Projekt gezielt bei den richtigen, im Projekt anerkannten Punkten nachhaltig weiterentwickeln.


«Wir werden im Rahmen eines internen Wissensaustausches […] dieses Wissen an unsere Mitarbeitenden weitergeben.»
Cédric Flury
MSc Bauingenieur ETH
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Wie können wir unsere Kunden mit dem erworbenen Wissen in Zukunft beraten und unterstützen?

Cédric Flury: Durch den Austausch und die spannenden Diskussionen mit den anderen Teilnehmenden der Weiterbildung haben sich mir neue Betrachtungsweisen eröffnet und mein Bewusstsein für nachhaltige Planung und Umsetzung wurde geschärft.
Im Vergleich zum Hochbau SNBS-Kriterienkatalog gibt es für den Infrastrukturbau noch keine konkreten Umsetzungsvorgaben bzw. es kann noch keine SNBS-Zertifizierung für Infrastrukturprojekte erlangt werden. Daher geht es beim Infrastrukturbau in erster Linie darum, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei allen Projektbeteiligten zu wecken und so in Zusammenarbeit jeweils die beste bzw. nachhaltigste Lösung zu finden.
Damit das in der Weiterbildung erworbene Wissen nicht nur bei Marc und mir verweilt, werden wir im Rahmen eines internen Wissensaustausches in Form von Workshops dieses Wissen an unsere Mitarbeitenden weitergeben. So wollen wir garantieren, dass unsere Arbeitskolleg/-innen und schlussendlich auch unsere Kunden, egal in welchem Fachbereich, von unserer Weiterbildung profitieren können.

Nachhaltigkeit bedeutet, die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Komponente möglichst ausgewogen zu berücksichtigen. Wie versuchst du, diese Herausforderung in Projekten täglich zu meistern?

Olivier Wetterwald: Im Bausektor wird die gesamtheitliche Nachhaltigkeit bei grösseren Überbauungsprojekten immer wichtiger. Dies zeichnet sich auch bei den diversen «Label-Entwicklungen» ab. Früher wurde hauptsächlich nur der Energieverbrauch in kWh/m² beurteilt (z.B. Minergie). Später wurde das Label Minergie-ECO eingeführt, welches sowohl soziale (z.B. Behaglichkeit, Tageslicht) als auch ökologische Nachhaltigkeitsindikatoren (nicht nur Betriebsenergie, sondern auch graue Energie, gesundheitsschonende Bausubstanzen (z.B. Thema Formaldehyd, TVOC etc.) und Ressourcenschonung (z.B. RC-Beton etc.) berücksichtigt. Ich spüre selbst, dass das Thema nachhaltiges Bauen für Bauherren/Investoren immer wichtiger wird. Mittlerweile haben wir eine Überbauung mit 3 Mehrfamilienhäusern nach SNBS-Hochbau beurteilt. Bei einer weiteren Überbauung wurde die Zertifizierung nach SNBS-Hochbau erfolgreich abgeschlossen. Aktuell sind wir als «Nachhaltigkeitsexperten» daran, mit den Fachplanern die diversen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien im Rahmen der Unternehmerausschreibung zu präzisieren. Die Herausforderung liegt klar darin, alle Vorgaben von SNBS-Hochbau zu berücksichtigen und diese zu spezifizieren. Insbesondere der Einsatz bzw. die Spezifizierung von Holzbaustoffen, Dämmprodukten, Putze, Lacke, Versiegelungen, Abdichtungen etc. ist eine Herausforderung.

Kannst du ein konkretes Beispiel in einem Projekt aufzeigen?

Olivier Wetterwald:
Für mich persönlich bildet ein einfaches Fenster ein gutes Beispiel, die Herausforderungen der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit ausgewogen zu berücksichtigen.
Die Fenster (Grösse, Ausrichtung) bei einer klassischen Lochfassade haben in Bezug auf mehrere Nachhaltigkeitsindikatoren einen positiven und negativen Einfluss. Natürliches Tageslicht in den Räumen ist ein soziales Nachhaltigkeitskriterium. Um das Optimum zu erreichen, sollten die Räume nicht zu tief sein, die Fenster genügend Glasfläche aufweisen und nicht zu stark verschattet (Vordach, Balkone, Wände) sein und der Sturz auf ein Minimum dimensioniert werden.
Auf der anderen Seite muss man jedoch auch die Nachhaltigkeitsaspekte wie z.B. sommerlicher Wärmeschutz, Privatsphäre, Betriebs- und Erstellungsenergie und Wirtschaftlichkeit berücksichtigen. Viele grosse Fenster auf der Nordfassade wirken sich positiv auf das Tageslicht aus; die Betriebsenergie für Raumwärme steigt hingegen.
Die Architekten haben eine wichtige Rolle bei den Grundrisslayouts und der Fassadengestaltung. Wir als Nachhaltigkeitsexperten können die Architekten beim Gebäudekonzept/-layout unterstützen, um alle Nachhaltigkeitsaspekte ausgewogen und optimal zu berücksichtigen.



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